„Ostmullen“ lieben Rechtsrock – wie bitte?
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Wir gehen heute einmal ein Thema an, das vielleicht aus musikalischer Sicht wenig Freude macht, aber umso wichtiger ist. Es geht heute um „Ostmullen“ und Rechtsrock. Und ja, das gehört irgendwie zusammen. Ich erkläre dir natürlich gleich, was „Ostmullen“ sind. Aber zunächst biegen wir mal nach rechts ab.
1. Rechtsrock hat viele Facetten
Rechtsrock kann in vielen Facetten daherkommen. Sei es tatsächlich Rock oder Black Metal. Aber auch Rap und schmachtende Gitarrenballaden werden zu dem Genre gezählt. Die Klammer, die alles zusammenhält, sind die Liedtexte. Die sind wahlweise „antisemitisch und rassistisch, homofeindlich und sexistisch, nationalistisch und NS-verherrlichend“, wie Belltower News schreibt. Oder einfach alles zusammen.
Laut Verfassungsschutz gibt es in Deutschland derzeit rund 130 aktive rechtsextreme Musikgruppen und etwa 60 rechtsextreme Liedermacher oder Solointerpreten. Jährlich werden bis zu 100 Tonträger veröffentlicht. Die Zahl der Musiklabels und -vertriebe ist derweil in den vergangenen Jahren ebenso gesunken wie die Zahl rechtsextremer Konzerte, wie es beim ZDF heißt.
Gitarre. (Symbolbild: TheDigitalArtist/Pixabay)
Für den Mainzer Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs steht derweil fest, dass das Problem des Rechtsrocks in den Medien „oft verharmlost oder nicht gesehen“ werde. Sicherheitskräfte müssten laut Rechtsrock-Experte Hindrichs mehr Druck auf die Szene ausüben. Schließlich sei es das Ziel der Szene Menschen mit rassistischen und fremdenfeindlichen Texten zum Hass aufzustacheln. Und die Szene sei nicht nur in Deutschland aktiv, sondern europaweit.
Türöffner und Millionengeschäft
Problematisch ist, dass der Rechtsrock nicht in der schon bestehenden Szene bleibt, sondern als „Türöffner“ fungiert, um Jugendliche und bisher unpolitische Menschen in Richtung einer rechtsextremistischen Ideologie zu bewegen. Zudem werden mit Konzerten und CDs Millionen umgesetzt, die teils zurück in die rechte Infrastruktur fließen.
Dass der Staat nicht untätig zuschaut, zeigt sich an Landser aus Berlin/Brandenburg. Die 1992 gegründete Rechtsrock-Band wurde 2003 verboten – unter anderem wegen Volksverhetzung. Der Sänger und Gitarrist wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, wie Belltower News schreibt.
2. Ostmullen: „Ostdeutsch, rotzig, rechtsextrem“
Warum ich Landser als Beispiel erwähne? Weil das eine der Bands ist, die von den sogenannten „Ostmullen“ gefeiert wird. Zu deren Liedern bewegen sie in Tiktok-Videos ihre Lippen, wie die taz berichtet. Auf der Elon-Musk-Plattform X hat sich ein sogenannter Ostmullen-Dienstag etabliert. Das Ganze ist also irgendwie zum Trend geworden.
Bei Ostmullen handelt es sich offenbar um junge Frauen aus Ostdeutschland. Als „Mulle(n)“ werden – oft eher abwertend – Frauen bezeichnet. Ganz klar ist mir das aber nicht. Ich habe diese Bezeichnung noch nie zuvor gehört. Vielleicht weißt du ja mehr darüber.
In der taz heißt es zu dem Trend: „Die Ostmullen präsentieren sich als Gegenmodell zum liberalen Westbürgertum. Selbstbewusst, ostdeutsch, rotzig, rechtsextrem“. Anders als die sogenannten Tradwives würden die Ostmullen aber eher in der Kurve ostdeutscher Fußballvereine als in der Küche stehen.
Einer Einschätzung der rechten Publizistin Ellen Kositza zufolge würden die Ostmullen sich eher als Outlaws verstehen – gleichsam verzweifelt wie mutig. Sie hätten meist auch traumatische Erfahrungen zu verarbeiten, wie eine Kindheit im Kinderheim, Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken oder gewaltvolle Beziehungen.
3. Rechtsrock und die sozialen Medien
Kommen wir zum dritten Punkt, nämlich zur Rolle der sozialen Medien. Denn wurde Rechtsrock noch in den 1990er-Jahren vor allem in Form von Kassetten oder CDs auf dem Schulhof verteilt oder bei Konzerten verkauft, kommt die Musik jetzt via Social Media problemlos in jedes Kinder- oder Wohnzimmer.
Auch das trägt dazu bei, dass rechtsextreme Musik in Deutschland bei vielen Menschen „salonfähig“ geworden sei. Ein Punkt, den Nicholas Müller, Sänger und Songschreiber der Band Jupiter Jones, als „Katastrophe“ bezeichnet. Müller zufolge gebe es keinen gesellschaftlichen Konsens mehr, Rechtsrock und „dessen menschenverachtende Weltsicht“ abzulehnen.
Rechtsrock in Verkleidung unterwegs
Rechte Musik werde bei Partys und auf Festen gespielt. Teils würden Rechtsrock-Musikerinnen und Musiker versichern, dass sie ja nichts mit Neonazis zu tun hätten. Aber: Rechtsrock sei häufig „in Verkleidung unterwegs“, wie Müller warnt. Viele Menschen würden das nicht durchschauen. Sie fühlten sich von den einfachen Melodien und Bildern angesprochen, gerade, wenn sie sich selbst abgehängt und benachteiligt fühlten.
Aber, wie damit umgehen. Ich glaube, wichtig ist, das Thema einmal aufs Tapet zu bringen und Aufklärung zu leisten. Ich hänge dir hier noch zwei Quellen an, bei denen du dich dazu informieren kannst.
Umgang mit Rechtsrock
Mehr zu dem Thema findest du auf der entsprechenden Seite der Bundeszentrale für politische Bildung. Etwa, wie man damit am besten umgeht, was die Strukturen dahinter sind und welche Bands eigentlich dazugehören.
Hier findest du zum Beispiel ein Interview mit David Begrich, dem Leiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. Darin spricht er über Gefahren, die von Rechter Musik ausgehen, über Verbote und konsequente Ablehnung, Jugendarbeit und Prävention.
Hier finden sich einige rechtsextreme Bands aus Deutschland – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ziel: Jugendlichen, Lehrerinnen und Lehrern, Eltern oder Sozialpädagoginnen und Pädagogen eine Orientierung zu bieten, um die Musik der extremen Rechten erkennen zu können.
Damit sind wir mit der aktuellen Ausgabe des D.R.O.B. Newsletters schon durch. Aber sei doch in der nächsten Woche wieder dabei! Dann kümmern wir uns um den European Song Contest (ESC) – und die Rolle der DDR sowie Ostdeutschlands. Das wird spaßig, versprochen!
Zur Einstimmung gibt es hier schon einmal einen Beitrag aus dem Jahr 1990 – das Lied „Brandenburger Tor“ des norwegischen Teilnehmers Ketil Stokkan. Obwohl es darin um den Mauerfall geht, kam der Song nur auf den letzten Platz. Urteile selbst, hättest du Stokkan ein paar Punkte gegeben?
„Hier stehen wir am Brandenburger Tor
Hand in Hand, als ob es gestern war
Du und ich am Brandenburger Tor
Wir sehen das Brandenburger Tor“
(Ketil Stokkan)
Hier hast du die Möglichkeit, in die Artikel der vergangenen Woche hineinzulesen. Weiter unten findest du den Newsletter der vergangenen Woche zum Nachlesen:
„Am Fenster“ von City: Wohin fließen die Einnahmen aus dem Ost-Rock-Hit?
„Wind of Change“: Hat die CIA den Scorpions-Hit geschrieben?
Kultur auf Rezept? Geh doch mal ins Museum!
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