Musik ist immer gut
Wie Klassik in der Schwangerschaft wirkt und was es mit dem Beat-Aufstand in Leipzig auf sich hatte
Herzlich willkommen auf dem Gebiet der Demokratischen Republik Ost Berlin (D.R.O.B.) und zu einer neuen Ausgabe des D.R.O.B. Newsletters.
1. Wie wirkt Klassik auf Schwangere und Ungeborene?
Ab der 23. Schwangerschaftswoche kann ein Fötus im Allgemeinen erste Geräusche hören und Tonhöhen unterscheiden. Dann beginnen werdende Eltern oft bewusst, dem ungeborenen Kind Musik vorzuspielen – oder ihm etwas vorzusingen.
Und das scheint richtig zu sein. Zumindest, wenn es sich um klassische Musik handelt. Denn wie eine Studie aus Mexiko festhält, kann Klassik Schwankungen in der Herzfrequenz von Föten ausgleichen, wie orf.at schreibt.
Klassik wohl gut für Schwangere und Babys. (Bild: Alexas_Fotos/Pixabay)
Konkret spielte das Forschungsteam den Babys über Kopfhörer auf dem Bauch der Mutter zwei unterschiedliche Musikstücke. Zum einen gab es „Der Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns. Bei dem anderen Lied handelte es sich um „Arpa de Oro“ (Abundio Martínez).
Beruhigende Musik gut für die emotionale Entwicklung
Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass beruhigende Musik während der Schwangerschaft einerseits den Eltern gut tue und auf der anderen Seite die neuronale Reifung des Fötus fördere. Außerdem könne das Vorspielen von Musik auch die emotionale Entwicklung des Kindes nach der Geburt beeinflussen.
Den möglichen Auswirkungen von Klassik auf Schwangere und ungeborene Kinder widmet sich auch die Berliner Philharmonie gemeinsam mit der Clara-Angela-Foundation – erstmals aber mit Live-Musik.
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Kreativität in der Schwangerschaft“ wird hier erforscht, ob Klassik bei werdenden etwa den Stress reduziert und sich positiv auf das Wohlergehen auswirkt.
Um das herauszufinden, wird bei den Teilnehmerinnen vor und nach dem Live-Konzert der Cortisol-Spiegel gemessen. Außerdem wird ein Fragebogen ausgefüllt, wie eine Teilnehmerin bei rbb24.de berichtet. Auch einen Sing-Workshop gibt es.
Geht es den Schwangeren gut, geht es den Babys gut
Letztlich geht es den Forscherinnen und Forschern um Birgit Arabin von der Charité Berlin darum herauszufinden, wie ein durch Klassik verbessertes Gefühl- und Gemütsleben der Schwangeren wiederum positiv auf die Kindesentwicklung wirkt.
Arabin zufolge können beinahe die Hälfte aller Kinder weltweit ihr genetisches Potenzial nicht ausschöpfen, weil ihre Mütter in der Schwangerschaft zu vielen Belastungen ausgesetzt, also zu gestresst sind.
Ob sich das durch das Hören von angenehmer Live-Musik oder gemeinsamem Singen verbessern lässt? Das wird die Forschung zeigen. Schlecht für das Baby kann es jedenfalls kaum sein, wenn sich Schwangere beim Musikhören wohlfühlen.
Muss ja vielleicht auch gar nicht Klassik sein.
2. Ausstellungen zu alternativen Musikszenen in der DDR
Anlässlich des seit 1992 jährlich in Leipzig stattfindenden Wave-Gotik-Treffens (5. Juni bis 9. Juni 2025 im Agra Messepark) gibt es 2 spannende Ausstellungen, die sich mit alternativen Musikszenen in der DDR beschäftigen. Hier wurde es, wie immer, wenn der Staatsobrigkeit etwas nicht in den Kram passte, schnell politisch – und gefährlich für die Anhängerinnen und Anhänger.
Bei der ersten Ausstellung „All you need is beat – Jugend, Musik und Politik in der DDR 1955-1975“ geht es um Fans von Beat und Rock‘n‘Roll und darum, wie sich diese Jugendkultur zwischen partieller Förderung, Zensur und Repression entwickelte.
Beat-Aufstand in Leipzig
Ein unrühmlicher Höhepunkt ist sicher der sogenannte Beat-Aufstand am 31. Oktober 1965 in Leipzig. Dabei handelte es sich um eine Demonstration gegen das Verbot von Beatmusik und entsprechender Bands. Am 21. Oktober 1965 waren 54 von 58 registrierten Leipziger Bands verboten worden.
Zu ihnen gehörte auch die 1964 gegründete populäre Band Butlers, die aus der systemkritischen und 1962 mit einem Auftrittsverbot belegten Klaus Renft Combo („Wer die Rose ehrt“, „Als ich wie ein Vogel war“) hervorging. Nach dem Verbot 1965 wurden Butlers erst 1992 als The Butlers neu gegründet (nicht zu verwechseln übrigens mit der Berliner Ska-Band The Butlers).
Kurzer Einschub: 1967 wurde das Auftrittsverbot für die Klaus Renft Combo wieder aufgehoben. Die zwischenzeitliche Liberalisierung der DDR-Kulturpolitik machte es möglich, dass mehrere Singles und zwei Alben erscheinen konnten. Die Band, die sich später Renft nannte, wurde zu einer der bekanntesten und beliebtesten Rockgruppen der DDR.
Die zunehmend kritischen Texte und angerissenen Tabuthemen vor allem in den Songs „Glaubensfragen“ (Wehrdienstverweigerung und NVA-Bausoldaten) und „Die Rockballade vom kleinen Otto“ (Republikflucht und Selbstmord) sorgten 1975 für ein Verbot von Renft. Einige Bandmitglieder verließen die DDR. Zwei Bandmitglieder landeten für neun Monate im Stasi-Gefängnis der DDR in Berlin-Hohenschönhausen – bevor sie „ausgebürgert“ wurden. Anderenfalls hätten ihnen bis zu Jahre Haft gedroht.
Aber zurück zum Beat-Aufstand, der als größte ungenehmigte Demonstration in der DDR seit dem 17. Juni 1953 in die Geschichte einging und in puncto Gewalt und Festnahmen nur von den Ausschreitungen am 7. Oktober 1977 am Berliner Alexanderplatz übertroffen wurde. Doch zu Letzterem ein anderes Mal mehr.
In Leipzig gingen 1965 jedenfalls Hunderte Jugendliche auf die Straße, um ihren Unmut zu äußern. Die Demonstration wurde allerdings schon kurz nach Beginn gewaltsam aufgelöst und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hart zur Rechenschaft gezogen.
Insgesamt sollen 264 meist junge Menschen festgenommen worden sein. Fast 100 von ihnen mussten dann für sechs Wochen in einem sogenannten „beaufsichtigten Arbeitseinsatz“ im Braunkohletagebau schuften. Oft wussten Angehörige und Freundinnen und Freunde lange Zeit nicht, was mit den Festgenommenen passiert war.
Die ganze Geschichte wird in der Ausstellung anhand der Band Butlers erzählt. Vom 4. Juni bis 31. Juli 2025 kannst du dich im Bundesarchiv - Stasi-Unterlagen-Archiv Leipzig am Dittrichring 24 darüber informieren.
Gruftis, Punks & Co. im Visier der Stasi
Ebenfalls vom 4. Juni an, aber dann bis zum 31. Dezember 2025 ist im Leipziger Bundesarchiv - Stasi-Unterlagen-Archiv die Ausstellung „Gruftis, Punks & Co.“ zu sehen. Beide Ausstellungen übrigens bei freiem Eintritt.
Über Punks in der DDR habe ich ja hier schon einen Artikel geschrieben:
Die Punks vom Plänterwald
Du dachtest, du kennst schon alle coolen Geschichten? Dann geht es dir ja wie mir! Aber ich sehe jeden Tag ein bisschen mehr ein, dass ich vielleicht von einigen, möglicherweise von vielen, aber nicht im Ansatz von allen bunten Stories rund um die DDR, die Wende und Ost-Berlin
In der Ausstellung scheint es vor allem um die sogenannten Gruftis zu gehen. Auch idese standen unter Beobachtung der Stasi und wurden in der Sonderkartei der „negativ-dekadenten Jugendlichen“ erfasst. Laut Stasi soll es 1989 mehr als 600 Gruftis gegeben haben – viele in Ost-Berlin, aber auch welche in Dresden, Halle, Leipzig oder Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).
Wie in der Punkszene war die Stasi bemüht, auch bei den Gruftis Spitzel einzuschleusen oder anzuwerben. In der Ausstellung werden Fotos und Dokumente gezeigt, die über die einzelnen Subkulturen wie Gruftis oder Punks angelegt wurden.
3. Kinderbilder von Westrock-Fan Neo Rauch
Auch der 1960 in Leipzig geborene und in Aschersleben aufgewachsene Star-Maler Neo Rauch mochte als Jugendlicher Punk- und Rockmusik aus dem Westen. Konkret gefielen ihm die Sex Pistols und die Stranglers.
Mit 14 kaufte sich Rauch sein erstes Radio und hörte am liebsten den britischen Soldatensender BFBS. „Westsender hat jeder gehört, das war kein Problem, man musste es ja nicht dem Klassenlehrer erzählen“, erzählte Rauch dem Rolling Stone im Jahr 2010.
Er habe nur nicht verstehen können, so Rauch, womit diese Sänger ein Problem hatten. „Das konnte ja alles nicht mal ansatzweise so schlimm sein wie das, was uns umgab!“
Gern hier reinhören: Parc de Triomphe mit „Westradio“
Als Teenager hörte Rauch also wilde West-Musik. Mit dem Malen angefangen hat er aber schon viel früher. Schon als Fünfjähriger fiel das künstlerische Talent Rauchs auf. Seine teils martialischen Motive brachten ihm Besuche beim Kinderpsychiater ein.
Diagnose: Frühkindliches Trauma wegen des frühen Todes seiner Eltern. Diese waren beide bei einem Zugunglück in Leipzig ums Leben gekommen, als Rauch gerade vier Wochen alt war. Der Junge wuchs dann bei seinen Großeltern auf.
Psychiater rät, Zeichnungen aufzuheben
Das Gute an dem Arztbesuch. Dieser soll den Großeltern geraten haben, die frühen Zeichnungen Rauchs aufzuheben, wie der MDR berichtet. Und das haben sie dann auch getan. Die rund 500 Zeichnungen, bei denen manche sich an Mosaik-Schöpfer Hannes Hegen erinnert fühlen, sind jetzt in Aschersleben zu sehen.
Ausstellung: „Neo – Zeichnungen 1965 bis 1968“. Sonderausstellung von Mai 2025 bis 3. Mai 2026. In der Grafikstiftung Neo Rauch. (Eintritt: 6 Euro, bis 18 Jahre frei)
Lies gern auch noch die spannenden Artikel der vergangenen Woche:
Einmal geht es um die Faszination für Garagen, die in der DDR viel mehr waren als bloße Abstellorte für Autos und denen in Chemnitz (Kulturhauptstadt Europas) gerade ein Denkmal errichtet wird.
Zum Lachen in die Garage gehen
Über 30 Jahre nach der Wende soll es in Ostdeutschland geschätzt rund 2 Millionen Einzelgaragen in sogenannten Garagenkomplexen gegeben haben – gehütet in Jahrzehnte alten Garagengemeinschaften, die sich heute in Vereine gewandelt haben.
Und in diesem Artikel geht es um Fluchtversuche aus der DDR über Gewässer wie die Ostsee. Das Thema wird in dem spannenden wie bedrückenden Roman und dem gleichnamigen Film „Jenseits der blauen Grenze*“ behandelt.
DDR-Flucht durchs Wasser
Wenn von der deutsch-deutschen Grenze die Rede ist oder vom Eisernen Vorhang, dann denken die meisten wahrscheinlich an die Mauer oder den Hunderte Kilometer langen Grenzzaun an Land. Aber auch Gewässer, etwa Spree und Elbe bildeten zum Teil die Grenze zwischen den Systemen – und natürlich die Ostsee.
Danke fürs Lesen und teile den Newsletter gern mit allen, die diese und ähnliche Themen interessieren könnten.