In der DDR zensiert: Uralte Digedags-Episode darf endlich erscheinen
Die Mosaik-Helden von Hannes Hegen wurden vor 50 Jahren durch die Abrafaxe ausgetauscht – und das ist nicht das einzige spannende Detail
Über das DDR-Comic Mosaik und seine gespaltene Geschichte gibt es viel zu erzählen. Beginnen wir aber anlässlich des 100. Geburtstags von Bundesverdienstkreuzträger und Digedags-Erfinder Hannes Hegen (alias Johannes Hegebarth) am 16. Mai 2025 einmal mit Dig, Dag und Digedag.
Vor fast 70 Jahren, im Dezember 1955, erschien das erste Mosaik – zunächst unter der Regie von Hannes Hegen. Die drei namensgebenden Kobolde waren als Gegenstück zu den in der DDR verbotenen Mickey-Mouse-Heften gedacht. Die sich – zumindest die Ost-Berliner – Kinder und Jugendlichen bis zum Mauerbau 1961 relativ problemlos auf der anderen Seite am Kiosk besorgen konnten.
Dem „West-Schund“ etwas entgegensetzen
Dennoch schlug die DDR-Idee, dem „West-Schund“ etwas entgegenzusetzen, voll ein. Die Digedags waren ab dem ersten Heft schlagartig populär, das monatlich erscheinende Mosaik bis zur politischen Wende 1989 immer ausverkauft. Zur Wahrheit gehört hier aber auch, dass die Hefte meist nur in geringer Auflage gedruckt wurden, weil das Papier knapp und teuer war.
Die Beliebtheit der Digedags lag derweil sicherlich auch an den – spätestens ab 1961 – für DDR-Bürgerinnen und Bürger kaum mehr zu erreichenden illustren Orten. Auch wenn sich die Geschichten meist in der Vergangenheit abspielten. So führte das erste Mosaik-Heft die Digedags nach Venedig. Außerdem auf dem Reiseplan: das alte Rom, der Orient oder Amerika.
DDR-Kritik: Bürgerlicher Klamauk
Im Rückblick geben Historikerinnen und Historiker auch an, dass die Digedags – anders als andere Comic-Helden der DDR – keine Staatspropaganda verbreiteten. Ein Punkt, der wiederum den Oberen nicht gefallen haben dürfte. Auch Hannes Hegens Herkunft – Bürgertum statt Arbeiterklasse – war ab den 1960er-Jahren zunehmend ein Streitpunkt.
Als Hegen schließlich aufgefordert wurde, die Digedags politischer und weniger klamaukig zu gestalten, zog er die Reißleine. Auch seine zu hohen Gehaltsforderungen sollen aber eine Rolle gespielt haben, als es 1975 nach 229 Heften hieß: Aus für die Digedags.
Die übrige Mosaik-Redaktion dachte sich daraufhin die Abrafaxe aus, mit denen ich groß geworden bin. Abrax, Brabax und Califax erinnerten sicher nicht ganz zufällig an die Vorgänger. Einen entsprechenden Rechtsstreit verlor Hannes Hegen aber.
Die Abrafaxe nehme ich mir ganz sicher in einem späteren D.R.O.B. Artikel vor. Jetzt soll einmal Hannes Hegen im Mittelpunkt stehen. Schließlich feiert der – würde er noch leben – am 16. Mai 2025 seinen 100. Geburtstag.
Verschollen geglaubtes Mosaik-Heft erscheint
Und pünktlich zu diesem Jubiläum erscheint eine Mosaik-Episode, die in der DDR der Zensur zum Opfer gefallen sein dürfte. Jedenfalls ist „Das Duell an der Newa“ nie erschienen. Es ist eines von zwei verschollen geglaubten Digedags-Manuskripten aus dem Jahr 1963, die im Nachlass Hegens entdeckt wurden, nachdem der 2014 gestorben war.
Am 16. Mai 2025 erscheint „Das Duell an der Newa“ im neuen alten Gewand, gezeichnet von den ehemaligen Mosaik-Zeichnern Ulf S. Graupner und Steffen Jähde, wie Der Tagesspiegel schreibt. Das 24 Seiten starke Heft (ursprünglich als Heft 90/1964 angedacht) kostet im Mosaik-Shop allerdings 15 Euro statt 90 DDR-Pfennige wie 1964. Wer Interesse hat, kann das Heft hier vorbestellen.
Cover Digedags-Heft „Das Duell an der Newa“ (Bild: Mosaik Steinchen für Steinchen)
Das Heft ist übrigens Teil der Anfang der 1960er-Jahre gestarteten Erfinder-Serie, bei der die Digedags unter anderem auf U-Boot-Erfinder Wilhelm Bauer trafen. Wie es vom Verlag heute heißt, sei die Serie damals „aufgrund von Einwänden seitens der Verlagsleitung 1964 abgebrochen werden“.
Weiter ging es wohl auf die bewährte Art und Weise nur, weil sich die Digedags daraufhin als historische Weltenbummler im Mittelalter präsentierten. Ihnen an die Seite gestellt wurde der bald ebenfalls populäre, aber nicht weniger skurrile Ritter Runkel.
Noch 2,5 interessante Fakten am Rande:
Das Künstlerpaar Angelika und Detlef Schmöhl aus Wietzow, westlich von Anklam in Mecklenburg-Vorpommern, erschaffen seit Anfang der 1990er-Jahre Ritter Runkel und die Digedags als Tonfiguren. Die bisher mehreren Hundert 20 Zentimeter großen Tonfiguren erfreuen sich vor allem in Ostdeutschland, aber auch etwa in Ungarn und der Schweiz, großer Beliebtheit. Hier kannst du die Figuren bestellen. Am 16. Mai 2025 wird eine Jubiläumsfigur enthüllt.
Das Mosaik ist das älteste noch existierende Comic Deutschlands. Und es ist mit einer Auflage von 110.000 Heften monatlich (40.000 Abonnements) weiterhin überaus erfolgreich. Erfinder Hannes Hegen wurde mit dem Max-und-Moritz-Preis (2008) sowie dem Bundesverdienstkreuz (2014) ausgezeichnet. Im Ost-Berliner Stadtteil Karlshorst gibt es einen Digedags-Platz.
Eigentlich nur ein halber Fakt: Die Schauspielerin Wolke Hegenbarth ist mit Hannes Hegen verwandt.
Ich will ja nichts sagen, aber wusstest du?
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